Gründung und erste Jahre in den Technischen Lehranstalten in Offenbach am Main

Das Deutsche Ledermuseum wurde am 13. März 1917 von dem Architekten Hugo Eberhardt (1874–1959) in Offenbach am Main gegründet. In den ersten Jahren diente der Grundstock der heutigen Museumssammlung der Ausbildung und Verfeinerung des guten Geschmacks junger Handwerker*innen, Entwerfer*innen und Lederwarenproduzierenden an den Technischen Lehranstalten (heute Hochschule für Gestaltung (HfG) Offenbach), denen der Museumsgründer von 1907 bis 1940 als Direktor vorstand.

Lederwaren aus Offenbach waren zu dieser Zeit auf dem internationalen Markt sehr gefragt und weltweit begehrt. Produkte handwerklich hoher Qualität und zeitgemäße Entwürfe aus dem Offenbacher Raum sollten den wirtschaftlichen Erfolg des traditionsreichen Industriezweigs weiterhin sichern.

Offenbacher Lederwaren

Die Entstehungsgeschichte des Offenbacher Lederwarengewerbes reicht in das ausgehende 18. Jahrhundert zurück. Zu dieser Zeit etablierten sich im Offenbacher Raum erstmals Portefeuille-Betriebe, die sich auf die Fertigung von Kleinlederwaren wie Etuis und Schatullen spezialisierten. Joseph Anton Mönch, der als Buchbinder an den Isenburger Hof berufen worden war, gründete mit seinem Sohn Johann Karl Mönch 1776 die erste Etui- und Souvenirmanufaktur. Weitere Betriebe folgten und es entstand bis zum Ende des Jahrhunderts ein regionales hochqualifiziertes Portefeuille-Gewerbe. Gründer und Beschäftigte stammten zumeist aus ansässigen lederverarbeitenden Berufen wie dem Buchbindehandwerk, der Galanteriesattlerei oder Riemerei.

Die Nachfrage an Leder und Lederprodukten stieg im 19. Jahrhundert stetig und führte zu einer vielfältigen Produktpalette von Etuis und Necessaires, Reisegepäck, Portemonnaies und Handtaschen bis zu Schuhen oder Fotoalben. Ab Mitte des Jahrhunderts erlebte das Offenbacher Lederwarengewerbe einen beispiellosen Aufschwung. Dazu trugen vor allem die günstigen Produktionsbedingungen bei, etwa durch Heimarbeiter*innen aus dem Umland, die Attraktivität des Standorts aufgrund der Gewerbefreiheit der Stadt im Gegensatz zum benachbarten Frankfurt am Main sowie die günstige Lage zur Messestadt, die gute Absatz- und Handelsmöglichkeiten bot.

Besonders handwerklich geführte Klein- und Mittelbetriebe prägten die Struktur der Lederwarenbranche, die bald auch die lederproduzierende Industrie und Zulieferfirmen nach Offenbach zog. Die Vielfalt ledererzeugender und -verarbeitender Betriebe reichte von Gerbereien über Schuhfabriken und Portefeuille-Hersteller bis hin zu Fachbetrieben der Lederpressung und -vergoldung sowie Färbereien. In keiner anderen Stadt des Deutschen Reiches wurde so viel Leder verarbeitet wie in Offenbach am Main.

Seinen Höhepunkt erreichte das Offenbacher Lederwarengewerbe in den 1920er-Jahren. Nicht zuletzt dank des hohen Exports, der vor dem Ersten Weltkrieg fast 75 Prozent der Produktion ausmachte, erlangten Offenbacher Lederwaren Weltruhm.

Heute führt die Branche aufgrund von Strukturwandel und infolge des globalen Wettbewerbs nur noch ein Nischendasein; wenige Unternehmen haben überlebt. Das Handwerk lebt vereinzelt in kleinen regionalen Ledermanufakturen fort, die exklusive Lederwaren fertigen, sowie durch Designer*innen, die das Material wiederentdecken.

Ein Universalmuseum zum Werkstoff Leder entsteht

Aus der ursprünglichen Lehr- und Vorbildsammlung, die in den ersten acht Jahren auch räumlich in den Technischen Lehranstalten untergebracht war, entwickelte sich bald der Wunsch nach einem breit aufgestellten Museum als Bildungsstätte für alle Interessierten. Es sollte ein Universalmuseum zum Werkstoff Leder entstehen, das die weltweite Vielfalt handwerklich und künstlerisch hochwertig gestalteter Lederwaren abbildete und sich ebenso dem Konservieren, Bearbeiten und Gestalten von Tierhäuten – einem der ältesten Handwerke der Menschheit – widmete.

1922 wurde das Deutsche Ledermuseum zu einer Anstalt des öffentlichen Rechts. Nach einer zweijährigen Umbauphase bezog das Deutsche Ledermuseum 1924 die Villa Mainpfalz in der Kaiserstraße, welche die Stadt Offenbach für Ausstellungszwecke zur Verfügung stellte.

Durch seine Beteiligung an der ersten internationalen Lederschau in Berlin 1930 erlangte das Deutsche Ledermuseum internationale Bekanntheit. Bald waren die Räumlichkeiten der Villa Mainpfalz für die wachsenden Sammlungsbestände – Angewandte Kunst, Ethnologie und Schuhsammlung – nicht mehr ausreichend und es wurde nach einem neuen Domizil gesucht.

1938 erfolgte der Umzug zum heutigen Museumsstandort, das Alte Lagerhaus in der Frankfurter Straße, das nach Plänen Hugo Eberhardts von 1936 bis 1938 umgebaut worden war. Die Villa Mainpfalz wurde nach dem Auszug des Museums abgerissen.

Anfang der 1940er-Jahre kam die Museumsarbeit weitgehend zum Erliegen. 1942/43 wurden die Sammlungen nach Amorbach im Odenwald, Seligenstadt und Büdingen ausgelagert. Das durch Bombenangriffe stark beschädigte Gebäude blieb nur in der Grundsubstanz erhalten.

Zur Person Hugo Eberhardt

Prof. Dr. Ing. h. c. Hugo Eberhardt gründete und leitete ehrenamtlich mit Unterbrechung von einer vierjährigen Exmission (1946-1950) das Deutsche Ledermuseum von 1917 bis zu seinem Tod 1959.

Neuere historische Forschungen geben Anlass zu einer veränderten, kritischen Sicht auf Person und Werk. Um die Interessen des Deutschen Ledermuseums weiter zu verfolgen, insbesondere um die Sammlung zu vergrößern und in den 1930er-Jahren einen festen, repräsentativen Museumsstandort zu erhalten, kooperierte Eberhardt in seiner Doppelfunktion als Direktor der Meisterschule des Deutschen Handwerks (ehemals Technischen Lehranstalten, heute HfG Offenbach) und Leiter des Museums mit den nationalsozialistischen Machthabern. 1941 trat er in die NSDAP ein und distanzierte sich aktiv von den ehemaligen, jüdischen Förder*innen des Museums. In einem Spruchkammerverfahren im April 1948 wurde er als „Mitläufer“ eingestuft.

Nachkriegszeit und Neubeginn

Nach Kriegsende wurde der Museumsbau bis November 1950 durch die amerikanische Militärregierung beschlagnahmt und diente nach internen Umbauten verschiedenen Nutzungen. Im Frühjahr 1945 war bereits im Westflügel des Erdgeschosses zeitweise ein „Leathergood Store“ mit Offenbacher Lederwaren für Soldaten und Angehörige alliierter Truppen eingerichtet. Mehrere Säle konnten vom Museum für die Rückführung und Unterbringung der Sammlungsbestände genutzt werden. 1946 erfolgte die Restitution von niederländischen und französischen Objekten, die während der NS-Zeit an das Museum gekommen waren. Anlässlich der Offenbacher Verkaufsausstellung „Lederwarenindustrie und Marshallplan“ eröffnete das Deutsche Ledermuseum am 4. Oktober 1949 erstmals nach dem Krieg wieder Teile seiner Räume für die Öffentlichkeit. Aus dieser Ausstellung entwickelte sich im folgenden Jahr die Offenbacher Lederwarenfachmesse.

1951 wurde die bedeutende Schuhsammlung des Deutschen Ledermuseums unter dem Titel ,Deutsches Schuhmuseum‘ mit eigenen Schauräumen eingerichtet. Zwei größere Umbauphasen 1960/61 und 1980/81 erweiterten die Räumlichkeiten. Seitdem stehen dem Museum über 4.000 Quadratmeter, aufgeteilt auf Ausstellungsfläche, einen großen Veranstaltungssaal sowie Depot- und Magazinräume, zur Verfügung.

Am 23. Mai 1995 eröffnete die S-Bahnstation ,Ledermuseum‘ an der Berliner Straße.

Das Deutsche Ledermuseum im 21. Jahrhundert

Erneute Erweiterungen und Umbauten erfolgten 2010/11. Zur gleichen Zeit wurde eine dreijährige Provenienz-Forschungsstelle für Objekte aus ehemaligem jüdischem Besitz am Deutschen Ledermuseum eingerichtet.

Im Oktober 2013 wurde auf dem Museumsvorplatz das Julius-Mayer-Portal, eine Teilrekonstruktion des Eingangsportals des Verwaltungsgebäudes der Offenbacher Lederfabrik J. Mayer & Sohn, aufgestellt, das seither auf die jüdischen Unternehmerfamilien Mayer und von Hirsch hinweist. Das Firmengebäude war zu Beginn des 20. Jahrhunderts nach den architektonischen Entwürfen Hugo Eberhardts errichtet worden.

J. Mayer & Sohn zählte zu den führenden europäischen Unternehmen der Lederherstellung und war insbesondere für seine Chevreau-Glanzleder bekannt. Ludo Mayer und sein Neffe Robert von Hirsch traten zudem als Mäzene für die Stadt Offenbach und als Förderer des Deutschen Ledermuseums auf, dem sie bedeutende Ankäufe finanzierten. Als jüdischer Unternehmer war der letzte Besitzer Robert von Hirsch aufgrund des Drucks der Nationalsozialisten bereits 1933 gezwungen, die Firma aufzugeben und in die Schweiz zu emigrieren.

Seit Mitte der 2010er-Jahren verfolgt das Museum eine inhaltliche Neuausrichtung, mit der die bisherige Dreiteilung des Hauses – Angewandte Kunst, Ethnologie und Deutsches Schuhmuseum – aufgehoben und die vielfältige Sammlung verstärkt unter thematischen Fragestellungen in den Mittelpunkt gestellt wird.

Im Jahr 2017 feierte das Deutsche Ledermuseum sein 100-jähriges Bestehen. Touristische Hinweisschilder weisen seither auf der Autobahn A3 auf das Museum hin.